Führung eines Kassenbuches bei Barverkäufen ist verpflichtend

Barverkäufe im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit, Kunden bezahlen den Kaufpreis unmittelbar nach Kaufvertragsschluss in bar, verpflichtet den Steuerpflichtigen  zur Führung eines Kassenbuchs gem. § 146 Abs. 1 Satz 2 AO.

Der Begriff der „Kasse“ im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 2 AO ist weit zu fassen.

Barmittelbestand in Industrie-, Handels- und Handwerksunternehmungen und sonstigen wirtschaftlichen Betrieben sowie in Kreditinstituten liquide Mittel ersten Ranges beschreibt es schon gut. Auch eine Schublade, eine Geldbörse oder zur Not auch eine Hosentasche können als Kasse ausreichend sein.


Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

In einem Fall vor dem FG Hamburg gab es folgenden Steuertatbestand:

Streitig war die auf Grund einer beim Steuerpflichtigen durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung vorgenommene Hinzuschätzung von Umsatzerlösen zu 19 % Umsatzsteuer.

Der Antragsteller betreibt einen Nutzfahrzeughandel,  wo ein großer Teil der Kundschaft den jeweiligen Kaufpreis per Banküberweisung bezahlt. Einige Kunden bezahlten nach den vorliegenden Ausgangsrechnungen den Kaufpreis jedoch bar an den Händler.

Aufgrund einer  Umsatzsteuersonderprüfung  kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige im Prüfungszeitraum zwar erhebliche Bareinnahmen und -ausgaben erzielt bzw. getätigt habe, er konnte jedoch keine Kasseneinzelaufzeichnungen vorlegen. Belege über Entnahmen oder Verbindlichkeiten waren ebenso nicht zur Prüfung vorgelegt worden. Der Ansicht des Händlers, dass Bareinnahmen sofort seinem Privatvermögen zugeflossen seien, ohne dass es hierzu weiterer Aufzeichnungen bedürfe, stimmte der Betriebsprüfer nicht zu. Bei einem bilanzierenden Handelsunternehmen fließen alle baren und unbaren Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb zunächst dem Betriebsvermögen zu und es bedürfe eines aktiven Handelns des Inhabers, um diese dem Betriebsvermögen zu entnehmen. Darüber sind wiederum Aufzeichnungen zu führen, zu einem sowohl buchhalterischer Art als auch das  Anfertigen von Belegen über die vorgenommene Entnahme.

Im Rahmen der Prüfung war es nicht möglich nachzuvollziehen, woher das auf dem Bankkonto eingezahlte Bargeld tatsächlich stamme. Auch wurden Einlagen aus dem Privatvermögen  weder buchhalterisch erfasst, noch seien Belege zur Prüfung vorgelegt worden. Daher sei es im Ergebnis nicht möglich, die in der Voranmeldung zur Umsatzsteuer erklärten Umsätze auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen. Die Buchführung weißt erhebliche formelle und materielle Mängel auf,  die Besteuerungsgrundlagen sind daher gemäß § 162 AO zu schätzen.

Die Finanzbehörde erließ, unter Hinweis auf das Ergebnis der Umsatzsteuersonderprüfung einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung .Gegen diesen Änderungsbescheid legte der Händler  fristgemäß Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

Die Finanzbehörde wies diesen Einspruch mit Entscheidung als unbegründet zurück, mit dem Hinweis, dass in dem Moment, indem dem Betrieb des Händlers auch immer (z.B. durch Barzahlung eines Kunden oder Bareinlage)  Bargeld zufließe, dieses Bargeld gegenständlich im Betriebsvermögen vorhanden sei.

Ungeklärte Bareinzahlungen auf dem betrieblichen Bankkonto  wurden festgestellt, die keinem Geschäftsvorfall hätten zugerechnet werden konnten. Somit lagen  sowohl formelle Mängel (keine Führung eines Kassenbuches) als auch materielle Mängel (nicht nachvollziehbare Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto) vor. Damit gab es  Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Aufzeichnungen des Händlers  und daher  war die Schätzung angemessen . Auch die Buchung von Einlagen und Entnahmen auf nur einem Sachkonto entspreche bereits nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung.

Die Begründung des Händlers, dass es  keine betriebliche Kasse oder irgendein betrieblich zugeordnetes Behältnis, in dem Bargeld aufbewahrt werde gibt, so dass die Führung eines Kassenbuches gar nicht möglich sei, wies die Finanzbehörde ebenso zurück. Auch der Hinweis des Händlers  er komme der  Einzelaufzeichnungspflicht dadurch nach, dass er jeden verkauften und gelieferten Gegenstand einzeln und durch z.B. die Fahrgestellnummer des Kfz eindeutig identifizierbar in Rechnung stelle,  sämtliche steuer- und buchführungsrelevanten Informationen (z.B. Lieferzeitpunkt, Umsatz, Liefergegenstand, Zahlungsmethode) befinden sich auf diesen Rechnungen, wies die Finanzbehörde es als unzureichend zurück.

Das FG Hamburg entschied

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen bei summarischer Prüfung  nur in der Höhe der Schätzung. Nach Würdigung der präsenten Beweismittel und der Aktenlage ist die  Hinzuschätzung  zum Teil rechtmäßig.

Der Finanzbehörde  geht richtigerweise davon aus, dass die Buchführung des Händlers  im Prüfungszeitraum sehr  fehlerbehaftet war, so dass sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden konnte und deshalb eine Hinzuschätzung geboten ist.

Nach § 162 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann.

Nach § 146 Abs. 1 Satz 2 AO sind seit der Änderung durch das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016 Kasseneinnahmen und -ausgaben täglich festzuhalten. Das danach täglich zu führende Kassenbuch gehört zu den wesentlichen Grundbüchern eines Unternehmens. Die Vorgänge im Zusammenhang mit der Bewegung von Bargeld bedürfen aufgrund der erheblichen Manipulationsgefahren eines dichten Kontrollgefüges. Die Anforderungen an ein solches Kontrollgefüge sind dabei an die Art und Weise der Kassenführung  gebunden.

Der Begriff der Kasse ist weitläufig  zu verstehen und umfasst alle Behälter, in denen Bargeld aufbewahrt wird .Werden die Bareinnahmen in einer sog. offenen Ladenkasse erfasst, erfordert dies einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Dies ist die Folge der jederzeitigen Möglichkeit, die Kasse bzw. die Kasseneinnahmen und -ausgaben manipulieren zu können. Dabei ist kein „Zählprotokoll“ erforderlich. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist. Der Kassenbericht muss im Fall einer offenen Ladenkasse so beschaffen sein, dass es einem Buchsachverständigen zumindest am Beginn und am Ende jedes Geschäftstages möglich ist, den durch Kassensturz festgestellten Ist-Bestand anhand der Kassenaufzeichnungen zu überprüfen. Ermöglichen die Kassenaufzeichnungen einen solchen Vergleich des Soll-Bestands laut Aufzeichnungen mit dem Ist-Bestand der Kasse nicht, fehlt es jedenfalls insoweit an der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung.

Der Senat geht unter Zugrundelegung dieser Grundsätze von einer derart mangelbehafteten Buchführung des Händlers  aus, dass der Anschein der Richtigkeit und Vollständigkeit der ermittelten Werte maßgeblich erschüttert ist und die Finanzbehörde zu einer Schätzung befugt war. Die Buchführung des Händlers  ist bereits deshalb nicht ordnungsgemäß, da er trotz Vorliegens von Kasseneinnahmen und -ausgaben gem. § 146 Abs. 1 Satz 2 AO kein Kassenbuch führte, sodass keine Kassensturzfähigkeit vorlag.

Nach Ansicht des Senats besteht jedoch Anlass zu Zweifel hinsichtlich der von der Finanzbehörde  vorgenommenen Aufteilung der hinzugeschätzten Umsätze. Entgegen der Ansicht der Finanzbehörde  spricht zumindest bei summarischer Prüfung nichts dafür, den Sicherheitszuschlag allein den Umsätzen zu 19 % zuzuordnen. Vielmehr dürfte grundsätzlich davon auszugehen sein, dass die hinzugeschätzten Umsätze sich gleichmäßig auf die (umsatz-)steuerfreien und -steuerpflichtigen Umsätze verteilen.

Gründe, eine  Beschwerde zuzulassen, liegen nicht vor.

Zusammengefasst führen sowohl formelle Mängel (keine Führung eines Kassenbuches) als auch materielle Mängel (nicht nachvollziehbare Bareinzahlungen auf das betriebliche Bankkonto) in der Praxis zu einer Schätzung der Umsätze.